Einzelhandelsgeschäfte
Alter Konsum
Nach Heise wurde in Wasserleben bereits 1878 eine Konsum-Verkaufsstelle eingerichtet1). Sie befand sich auf dem Hof Nr. 89, Ecke Dorfstraße/Backgasse direkt am Mühlgraben, heute ein Garten. Leider ist nicht mehr bekannt, zu welcher Konsum-Genossenschaft der Laden gehörte.
Über das tragische Ende des alten Konsums hat vor Jahren Dr. Stelzner den nebenstehenden aufschlussreichen Artikel in der Volksstimme veröffentlicht.
Ergänzend dazu sei noch festgehalten, dass es im Zusammenhang mit dem geschilderten Bombenabwurf einen zweiten Treffer bei der Trifft und einen dritten in Dröges Plantage/Hohlfeld gab.
Der Standort des ehemaligen Konsums heute.
Quelle
1) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 4, S. 30
Einschub: Binnenhandel in der DDR
Konsum und HO, wer kennt sich heute damit noch aus? Nachfolgend wird für Klarheit gesorgt.
Konsum-Genossenschaften
Die sowjetische Militäradministration in der Ostzone erlaubte bereits im Dezember 1945 die Wiederzulassung der Konsum-Genossenschaften, die in der Zeit des Nationalsozialismus aufgelöst worden waren1).
Sie schlossen sich Mitte 1949 zum Verband Deutscher Konsumgenossenschaften zusammen und entwickelten sich in der DDR zur drittgrößten Massenorganisation.
Jeder DDR-Bürger konnte gegen Entrichtung einer Aufnahmegebühr Mitglied einer Konsum-Genossenschaft werden und war über eine Rückvergütung an deren Gewinnen beteiligt.
Das Mitgliedsbuch gab unter anderem über die eingezahlten Genossenschaftsanteile Auskunft.
Industrieschornstein und Handsichel, das Verbandslogo, symbolisierten die beiden Hauptabsatzregionen: Arbeiterwohngebiete und Dörfer.
Allerdings war bis zum Ende der DDR die Versorgung der Landbevölkerung die wichtigste Aufgabe der Konsum-Genossenschaften.
Auf sie entfielen 1989 ungefähr 35 % des Einzelhandelsumsatzes in der DDR2).
HO
Die HO (Handelsorganisation) entstand 1948. Neben ihrer wirtschaftlichen Aufgabe, der Versorgung der Bevölkerung, hatte sie auch einen politischen Auftrag zu erfüllen: sie sollte den volkseigenen Sektor des Binnenhandels stärken und so den Widerspruch zwischen den Eigentumsformen der Industrie (weitgehend volkseigen) und dem Handel (weitgehend privat) verringern3).
Anfangs durften die HO-Läden knappe, nicht rationierte Waren zu hohen Preisen anbieten, während die Konsum-Genossenschaften sowie Kommissions- und private Händler nur rationierte Waren zu festgesetzten verbilligten Preisen verkaufen konnten.
Nach Einführung eines einheitlichen Preisniveaus war es 1958 damit vorbei.
Doch die HO erlangte mit der Zeit eine dominierende Stellung im Binnenhandel, indem sie sich auf die Städte als Hauptabsatzgebiet konzentrierte, 1989 erwirtschaftete sie etwa 54 % des Einzelhandelsumsatzes in der DDR4).
Kommissions- und selbständige Einzelhändler
Der Kommissionshandel (leider ohne Logo) wurde 1956 als spezielle Rechtsform des Einzelhandels eingeführt5).
Freiwillig oder auf Druck staatlicher Organe schlossen Einzelhändler mit volkseigenen oder anderen staatlichen Einzel- und Großhandelsbetrieben Kommissionsverträge ab6). Für ihren Warenvorrat hatten sie lediglich eine Kaution von 50 % des Wertes zu stellen, erhielten dafür aber nur eine Provision für ihre Handelstätigkeit; Geschäfte auf eigene Rechnung waren verboten7).
Allerdings wurden Kommissionshändler bei der Belieferung nicht schlechter gestellt, als die anderen volkseigenen und genossenschaftlichen Handelsformen8).
Bis zuletzt gab es in der DDR auch selbständige Einzelhändler, die sich gerade in den 1980er Jahren wieder einer gewissen Förderung erfreuten9).
Selbständige und Kommissionshändler erwirtschafteten 1989 ca. 11 % des DDR-Einzelhandelsumsatzes10).
Übrigens, ein uneingeschränktes Einkaufserlebnis war nicht immer garantiert. Heise sammelte in seiner Chronik zwei entsprechende kurze Berichte aus der Volksstimme11).
Die oben erwähnte Verkaufsstelle (Vst.) 723 der Konsumgenossenschaft (KG) Derenburg konnte leider noch nicht identifiziert werden.
Literatur
1) zu den Konsum-Genossenschaften siehe: DDR Handbuch, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Band 1 A-L, 3. überarb. u. erw. Aufl., Köln, 1985, S. 737 f
2) DDR Handbuch, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Band 1 A-L, 3. überarb. u. erw. Aufl., Köln, 1985, S. 237
3) zur HO siehe: DDR Handbuch, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Band 1 A-L, 3. überarb. u. erw. Aufl., Köln, 1985, S. 590
4) DDR Handbuch, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Band 1 A-L, 3. überarb. u. erw. Aufl., Köln, 1985, S. 237
5) ebd., S. 238
6) ebd., S. 735
7) ebd.
8) ebd., S. 237 f
9) ebd., S. 239
10) ebd., S. 237
11) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 4, S. 268 u. 454
Kaufhaus Schiedewitz
Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht gelungen, etwas über den Werdegang des Kaufhauses Schiedwitz herauszubekommen. Die Quellen schweigen hier leider weitgehend.
Immerhin ist gesichert, dass das Kaufhaus bereits 1905 existierte, denn das entsprechende Adressbuch führt unter der Hof-Nr. 84/Dorfstraße 6 den Kaufmann Friedrich Schiedewitz1).
Auf zwei alten Fotos ist das Geschäft in den 1920er und 1930er Jahre zu sehen. Im rechten Schaufenster wurden damals Gartengeräte ausgestellt. Ein Schild links oben weist auf eine hier eingerichtete Nebenstelle der Kreissparkasse hin.
Nach Aufgabe des Geschäftes Anfang der 1970er Jahre wurde das Gebäude zu einem reinen Wohnhaus umgebaut.
Wie sah das Warensortiment aus? Ende der 1950er Jahre soll im Laden u.a. Butter aus einem großen Fass verkauft worden sein. Hat es damals im linken Anbau auch eine kleine Möbelabteilung gegeben?
Wie aus einer Fotografie der Fleischerei Christian Harz aus der Sammlung Wolff zu sehen, war auf jeden Fall Tierfutter im Angebot, man lebte schließlich auf dem Lande.
Der oben abgebildete Teller wird noch heute in dem einen oder anderen Wasserleber Haushalt vorhanden sein.
Quelle
1) Adreß-Buch von Osterwieck/Harz und den umliegenden Ortschaften, Ausgabe 1905/1906, Osterwieck/Harz, o.J.
Kaufhaus Wipperling
Die Anfänge des Geschäfts sind etwas verworren.
1912 wohnte im Haus mit der Hof-Nr. 80 der Uhrmacher Willi Wipperling1), 1905 der Lagerhalter des Konsum-Vereins Hermann Eckhardt2).
Auf nebenstehender Abbildung aus einer 1908 abgestempelten Postkarte erscheint der Laden als Kaufmannsgeschäft von Gretchen Steinbrecher.
Wenn die Zusammenhänge auch unklar sind, so kann zumindest gesagt werden, das Willi Wipperling das Geschäft vor 1912 übernommen bzw. eröffnet haben muss.
Der Sohn der ersten Willi Wipperling, Willy Wipperling leitete den Betrieb bis 1959, wie Heise in seiner Chronik vermeldet3).
Zwei Ansichten aus den 1950er und 1960er Jahren,
Nach Schließung des Ladens leitete Hermann Höfert 1971 im Ländlichen Einkaufszentrum die Abteilung Industriewaren.
Quellen
1) Adreß-Buch von Osterwieck/Harz und den umliegenden Ortschaften, Ausgabe 1912, Osterwieck/Harz, o.J.
2) Adreß-Buch von Osterwieck/Harz und den umliegenden Ortschaften, Ausgabe 1905/1906, Osterwieck/Harz, o.J.
3) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 4, S. 282
Bettfedernreinigung Schmidt
Im Odorf entstand zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein Textilgeschäft, später Tüchschmidt genannt.
Ein Ehepaar Hühne aus Hohegeiß kaufte das Haus Hof-Nr. 222/Bahnhofstraße 40 von der Zeigelei und richteten darin ein Textilgeschäft und auf dem Hof eine Bettfedernreinigung ein. 1905 wird Fritz Hühne als dort ansässiger Kaufmann genannt1).
1925 erwarb das Ehepaar August und Frieda Schmidt Grundstück und Geschäft.
Ihr Sohn Gerhard Schmidt berichtete 2000 in einem Gespräch mit Dr. Stelzner interessantes über den Werdegang des Betriebes.
August Schmidt, der Vater des jüngeren August Schmidt, spielte als Fagottist in der Staatskapelle in Mainz. Als er aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf aufgeben musste, zog er mit seiner Frau, die aus Mainz stammte, nach Langeln und betrieb hier einen Kolonialwarenladen. In Dardesheim wurde er zum Musikdirektor der dortigen Musikschule berufen.
Sein Sohn August war ebenfalls Musiker und spielte Trompete. Im Dorf nannte man ihn „Tutaugust“.
Seine Frau Frieda begann 1924 in Halberstadt einen Handel mit selbst gemästeten Gänsen; vom Erlös erwarb sie Schürzen, die sie dann auf den Dörfern weiterverkaufte.
Auch nachdem sie und ihr Mann 1925 das Geschäft in Wasserleben übernommen hatten, gingen beide weiterhin mit Tragekiepen über Land, um ihre Waren anzubieten, denn vom Umsatz in Wasserleben allein hätten sie nicht leben können.
Die Zeiten waren schlecht und so musste genau festgehalten werden, wer wo auf Abzahlung gekauft hatte. Eine Manchesterhose, heute würde man Cordhose sagen, kostete beispielsweise 5 Mark und konnte mit 50 Pf im Monat abbezahlt werden.
Mit dem Betrieb in Wasserleben konnte das Sortiment aber erweitert werden. Im Angebot waren nun
- Wäsche aller Art, von Unterwäsche bis Bettwäsche,
- Meterware für Bekleidung, Bettbezüge usw.
- Arbeitskleidung für Männer und Frauen,
- Hüte und Mützen für Männer,
- Kurzwaren aller Art.
Dem Lieferanten der Hüte und Mützen fielen die bestellten Größen auf, Kopfweiten von 58 bis 60 gäbe es in anderen Gegenden in solchem Ausmaß nicht.
Die besten Geschäfte wurden vor Hochzeiten gemacht, wenn für die Braut eine Unmenge an Wäsche aller Art benötigt wurde.
Ab 1927 erleichterte ein Kleinlieferwagen auf Opel P 4 Basis das Überlandgeschäft, 3.000 Mark kostete er damals.
Aber die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich und viele Kunden konnten nur noch mit Naturalien bezahlen. Gänse, Eier, Käse und Butter wurden in dieser Zeit an Hermann Künne verkauft, der sie seinerseits auf den umliegenden Märkten anbot.
Nach dem Krieg baute man den Laden in Wasserleben um, aus drei Stuben entstand ein ansehnlicher Verkaufsraum mit großem Schaufenster.
Quelle
1) Adreß-Buch von Osterwieck/Harz und den umliegenden Ortschaften, Ausgabe 1905/1906, Osterwieck/Harz, o.J.
Textilgeschäft von Albert Sott
In einem Gespräch mit Dr. Stelzner berichtete Ilse Schulze geb. Sott über das Geschäft ihres Vaters.
Albert Sott, er stammte aus Goslar, und seine Frau Luise errichteten 1922 auf dem Anger (Str. der MTS 6) ein Haus.
Er arbeitete bei der Reichsbahn, wurde aber 1923 entlassen und entschloss sich daraufhin, in seinem Haus ein Textilgeschäft zu eröffnen. Dabei half ihm sein Vater, der seinerseits in Goslar ein solches Textilgeschäft betrieb.
Neben dem Laden baute er einen Überlandhandel auf und belieferte Kunden in Schauen, Berßel, Langeln und Heudeber.
In der ersten Zeit war er mit der Tragekiepe unterwegs, später mit einem Dreirad und einem PKW.
Albert Sott blieb bis etwa 1950 selbständig. Danach übernahm die Konsum-Genossenschaft den Laden, er führte ihn aber noch zehn Jahre lang als Verkaufsstellenleiter.
1970 kaufte die Gemeinde das Haus, in dem dann später die Gaststätte „Ilseperle“ eröffnet wurde. Heute wird es als Wohnhaus genutzt.
Geschäft von Liesbeth Schaper
Liesbeth Schaper, deren Mann gefallen war, verkaufte in den 1950er/1960er Jahren Kurzwaren aller Art, Stoffe, Berufs- und Konfektionskleidung, Untertrikotagen, Lederwaren sowie Schuhe.
Ihr Laden, Hof-Nr. 218/Vor dem Tore 12a, befand sich in den Räumen der ehemaligen Käserei von Christian Schmidt und war eine Einrichtung der HO. 1971 wurde das Geschäft geschlossen und das Sortiment vom Ländlichen Einkaufszentrum übernommen.
Interessant am Rande: Liesbeth Schapers Schwiegervater, Gottlieb Schaper, betrieb, neben seiner Schusterwerkstatt, ebenfalls einen kleinen Handel. Von den Bauern kaufte er Obst, Gemüse, Eier, Fleisch- und Wurstwaren, die er dann in Wernigerode weiterverkaufte.
Milchannahme- und verkauf
Um nach dem Krieg die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, wurde von den Molkereien ein Milchankauf von Privathaushalten eingerichtet.
Auch wenn häufig nur Ziegenmilch abgegeben wurde, erhielt jeder Lieferant ein monatliches Deputat an Butter und eine bestimmte Menge an Magermilch, die bei der Schweineaufzucht willkommen war.
Marie Jocke betrieb in Wasserleben für die Molkerei Silstedt eine solche im Hof Nr. 2/Dorfstraße 9.
Als 1957 die Fleischerei Ernst Harz geschlossen wurde, wechselte die Milchannahme- und -ausgabestelle dorthin. Neben Marie Jocke arbeitete ihre Schwester Auguste Polak in dem Laden und richtete eine kleine Eisdiele ein.
Das Angebot umfasste jetzt neben Voll-, Butter- und Magermilch auch Sahne, Schnittkäse und Butter sowie Speiseeis.
Die Butter wurde im Block geliefert und dann beim Verkauf einzeln abgewogen.
Nach der Eröffnung des Ländlichen Einkaufszentrums 1971 schloss diese Annahme- und Verkaufsstelle.
Rundfunk- und Fernsehgerätereparatur Kurt Brüser
Als Reparaturwerkstatt ja eigentlich kein Handelsbetrieb wird das Geschäft trotzdem hier vorgestellt, weil bei Kurt Brüser auch Radios und Fernseher bestellt und gekauft werden konnten.
Am ... eröffnete er seinen Betrieb in der ehemaligen Fleischerei Ernst Harz.
Frank Bollmann hat einige interessante Aspekte aus Kurt Brüsers Lebenslauf festgehalten.
Das Fernsehgerät Typ Start 3a vom VEB RFT Rafena-Werke Radeberg wurde ab 1963 verkauft und kostete stolze 1.600 DM1). Mit 415 DM war da das Radio Saalburg 5170A vom VEB RFT Stern-Radio Sonneberg 1964 erheblich preiswerter2).
Quellen
1) zitiert nach: https://www.radiomuseum.org/r/rafena_start_3a_1171101_20001.html, Zugriff am 14.09.2022
2) zitiert nach: https://www.radiomuseum.org/r/stern_sonn_saalburg_5170.html, Zugriff am 14.09.2022
Sonstiges
Es gab einen weiteren Laden, der bisher aber noch nicht vorgestellt wurde, die Verkaufsstelle für
Farben und Lacke Redlich.
Ländliches Einkaufszentrum
Mit den zahlreichen Verkaufsstellen im Dorf war es 1971 vorbei. Am 01.07. eröffnete die Konsum-Genossenschaft südlich des Hennebergparks ein ländliches Einkaufszentrum, in dem nun der Einzelhandelsverkauf gebündelt wurde.
Bekannte Namen tauchten hier wieder auf: Hermann Höfert und Helga Schaper arbeiteten in der Industriewarenabteilung, Hermann Harz und seine Frau Margot in der für Fleisch- und Wurstwaren.
Auf dem rechten Foto ist im Hintergrund schon der Neubau des NP zu sehen, links neben der neuen Volksbank.
NP
1997 entstand westlich des Ländlichen Einkaufszentrums ein NP-Markt.
Unter dem Dach der EDEKA Minden-Hannover bieten die NP-Märkte (Motto "Ihr Discountmarkt aus der Nachbarschaft") auf einer relativ kleinen Verkaufsfläche ein großes Sortiment an Lebensmitteln an1). Der hiesige Markt versorgt nicht nur die Bewohner Wasserlebens sondern auch die der umliegenden Orte.
Quelle
1) zitiert nach:https://verbund.edeka/minden-hannover/%C3%BCber-uns/unser-einzelhandel/np/, Zugriff am 28.03.2023