Bier-Bollmann
Obwohl nicht zu den Krügen oder Gaststätten des Dorfes gehörend, ist es dennoch angebracht, an dieser Stelle über die ehemals in Wasserleben bestehende Biergroßhandlung von Gustav Bollmann zu berichten.
Für die Überlassung dieses Dokuments sowie zahlreicher Fotos und weiterer Sachzeugen ist an dieser Stelle der Familie Löppen ausdrücklich zu danken.
Ein weiterer Dank gebührt Silvio Riebe, der es ermöglichte, dass der vermutlich letzte erhaltene hölzerne Bierkasten mit originalen Bierflaschen „Carl Bollmann Wasserleben“ bestückt werden konnte.
Die Bierverlage oder Niederlagen, wie die Großhandlungen auch genannt wurden, verdankten ihren Aufstieg dem Niedergang der Hausbrauereien. Die Großhändler bezogen das Bier von der Brauindustrie und lieferten es an Gaststätten und Einzelhändler aus. Natürlich versorgten sie ihre Kunden auch mit der nötigen Technik wie Schankbesteck, Gläser und Bierdeckel.
Gustavs Vater Carl Bollmann gründete und betrieb gemeinsam mit seiner Ehefrau Anna in Veckenstedt einen solchen Bierverlag.
1892 kaufte er für 8.000 Mark das Grundstück Bahnhofstraße 62 in Wasserleben und zog mit seiner Familie dorthin um. Auf Grund des günstigen Bahnanschlusses und der Größe des Grundstücks konnte er hier den Biergroßhandel ausbauen und erweitern.
Während des Ersten Weltkriegs gab es durch den allgemeinen Mangel an Rohstoffen aller Art Einbußen im Geschäft.
Als Carl 1920 einen Schlaganfall erlitt, übernahm Anna Bollmann die Betriebsführung. Zwei Jahre später, der Vater war zwischenzeitlich gestorben, trat Gustav in das Geschäft ein und führte von jetzt an den Betrieb zusammen mit seiner Schwester Marie.
Mit zwei Schimmeln wurden die Kunden beliefert.
Aber so war der Betrieb auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten.
In der Inflationszeit der 1920er Jahre mussten auch andere Fuhren angenommen werden: so etwa der Transport von Mehl und Stroh im Auftrag des damaligen Windmüllers Franz Seidig. Geld gab es dafür zwar nicht, aber Futter für die Pferde und das eigene Mastschwein - in der damaligen Zeit viel wertvoller.
Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischenzeitlich verbesserten, wurde erst mit drei, später dann mit vier Pferden ausgefahren.
Ein Bierfahrer konnte angestellt werden.
Und ein Lieferwagen, ein Mercedes-Benz 1 ½ -Tonner für 8.000 Mark, wurde gekauft. Gustav Bollmann lernte Autofahren.
Doch das Geschäft bleib fragil, auch wenn Gustav Bollmann sicherlich nicht ohne Stolz vermerkte: So „...war das Geschäft die zweitgrößte Biergroßhandlung im Kreise Wernigerode und Halberstadt“.
In den kommenden Jahren war es seine Frau Anna Bollmann, die den Betrieb durch die Zeit des zweiten Weltkrieges führte.
Schon zu Kriegsbeginn wurde der neue Lieferwagen, ein Mercedes-Benz 2 1/2 –Tonner, auf den man zuvor eineinhalb Jahre gewartet hatte, konfisziert. Wenig später musste Gustav Bollmann mit seinem noch vorhandenen LKW dem Einberufungsbefehl Folge leisten.
Nachdem er krankheitsbedingt aus der Wehrmacht entlassen wurde, gelang es ihm 1942, die Niederlage der „Diamant-Brauerei“ aus Magdeburg für die hiesige Region zu erwerben.
Während des Krieges waren als Arbeitskräfte französische, polnische und russische Kriegsgefangene im Einsatz. Sie arbeiteten auch nach der Kapitulation und dem Zusammenbruch noch wochenlang weiter.
Die Lastwagen blieben im Krieg.
Doch die Wirtschaftspolitik der jungen DDR machte es privaten Geschäftsinhabern unmöglich, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren. Daher verpachtete Gustav Bollmann 1953 seinen Bierverlag an die Hasseröder Bierbrauerei, blieb aber als Verwalter bis zum Schluss in der Geschäftsführung.
Auch seine Frau Anna arbeitete weiterhin im Betrieb.
1971 wurde der Betrieb aufgegeben.
Bernd Feuerstack 2018