Eisenbahn
Die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngesellschaft (MHE) nahm am 01.03.1869 den Verkehr auf der Strecke Halberstadt-Vienenburg auf, im Norden Wasserlebens entstand im späteren Ortsteil Odorf ein Bahnhof, der erste in der Grafschaft Wernigerode1).
In einem nicht weiter gekennzeichneten Zeitungsartikel beschrieb 1958 der damalige Ortschronist Wilhelm Heise die Kindheitserinnerungen seines Vaters an den Bau der Strecke2).
Anfangs verkehrten drei Zugpaare über den Bahnhof Wasserleben, von Halberstadt kommend nach Vienenburg morgens um 6:47 Uhr, mittags um 12:17 Uhr und abends um 7:17 Uhr, und von Vienenburg kommend nach Halberstadt morgens um 8:16 Uhr, mittags um 1:54 Uhr und abends um 8:51 Uhr. Der erste Fahrplan wurde nicht im Wernigeröder sondern im Halberstädter Intelligenzblatt veröffentlicht und war ziemlich schwer zu lesen3).
zum Fahrplan Cöthen-Vienenburg 1868
Nachstehende Anzeige vom 06.03.1869 im Wernigeröder Intelligenzblatt verdeutlicht die Bedeutung des Wasserleber Bahnhofes für die Grafschaft Wernigerode.
Die Strecke Halberstadt-Vienenburg verband das Streckennetz der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngesellschaft mit dem der Herzoglich Braunschweigischen Staatseisenbahn. Es entstand so eine zweite durchgehende Eisenbahnverbindung zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin bzw. Mitteldeutschland4).
Vor dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Zugdichte dann ihren Höhepunkt.
12.05.1882
Die Osterwieck-Wasserlebener Eisenbahn-Gesellschaft AG (OWE) eröffnete am 12.05.1882 die Verbindung Wasserleben-Osterwieck als ersten Abschnitt ihres Streckennetzes. Der zweite Abschnitt Osterwieck-Hornburg kam erst 26 Jahre später dazu5).
Auf einem Luftbild aus den 1930er Jahren ist die gesamte Gleisanlage des Bahnhofes gut zu erkennen6).
Nach 1945 wurde die Strecke von Halberstadt bis zur Zonengrenze auf ein Gleis zurückgebaut und der Verkehr nach Vienenburg in den folgenden Jahren gänzlich eingestellt. Die Zustände an der Grenze beschrieb Heise in seiner Chronik sehr anschaulich7).
Doch fast wäre die Strecke, zumindest teilweise, erhalten geblieben8). Denn laut Beschluss der Konferenz der Transportverantwortlichen der britischen, amerikanischen und russischen Besatzungsmächte vom Oktober 1947 sollten über den Übergang Vienenburg in Richtung Halberstadt, also über Wasserleben, täglich drei Züge mit Kohle für die Sowjetzone und in entgegengesetzter Richtung drei Züge mit Briketts für die Westzonen abgefertigt werden. Dazu kam es allerdings nicht, weil der Halberstädter Bahnhof noch weitgehend zerstört und nicht aufnahmefähig war.
An das hundertjährige Jubiläum erinnert eine Sonderpostkarte mit Sonderstempel. Da damals in der DDR jeder gesamtdeutsche Bezug staatlicherseits unerwünscht war, wurde von der Reichsbahn nur der halben Strecke gedacht, die ja bekanntermaßen nicht von Halberstadt nach Wasserleben sondern von Halberstadt über Wasserleben nach dem niedersächsischen Vienenburg verlief.
Traurig ging das Kapitel Eisenbahn zu Ende, 2002 verkehrte der letzte Schienenbus. Der Fahrplan war nicht mehr der Rede wert.
Hans Hermann Saatze u. H.-G. Krasberg 2012
ergänzt 2021
Quellen und Literatur
1) Halberstädter Intelligenzblatt, Nr. 41 vom 26.02.1869: Fahrplan Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn
2) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 4, S. 193
3) Halberstädter Intelligenzblatt, Nr. 42 vom 28.02.1869: Fahrplan Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn
4) zur Geschichte der Bahn siehe: Endisch, Dirk: Die Strecke Halberstadt–Vienenburg, Stendal, 2009
5) zur Geschichte der OWE siehe: Wolff, Gerd: Deutsche Klein- u. Privatbahnen, Bd. 11, Niedersachsen, Teil 3, ohne Ort, 2009
6) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 3, S. 57
7) ebd., S. 28 f
8) Bock, Peter: Interzonenzüge, Eisenbahnverkehr im geteilten Deutschland, 2007, S. 17 f